Vor der Landtagswahl in Thüringen versuchte der Landesverband der Alternative für Deutschland (AfD), der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora gerichtlich zu untersagen, auf geschichtsrevisionistische Äußerungen von Parteivertretern hinzuweisen, die die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus beschädigen, hinzuweisen. Wenn die Stiftung diesbezügliche Aussagen nicht unterlasse, solle sie ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro zahlen.
Hintergrund ist eine Postwurfsendung, die die Stiftung im August 2024 an Haushalte in Thüringen hatte verteilen lassen.
Das Verwaltungsgericht Weimar stellte nun in seinem Beschluss vom 5. November 2024 grundsätzlich fest:
Die Stiftung „ist berechtigt, in aktuelle Diskussionen zu den Opfern, deren in den Gedenkstätten der Antragsgegnerin gedacht wird, einzutreten und selbst zu allen Fragen im Zusammenhang mit den Opfern und zu der Gestaltung der Erinnerungsarbeit Stellung zu nehmen. Dabei darf die Antragsgegnerin auch Äußerungen Dritter, die das Gedenken und Erinnern an die Opfer berühren, bewerten und einzuordnen. Eine solche Einordnung kann nicht neutral erfolgen, sondern setzt das aktive Eintreten für die Opfer voraus.“ Und weiter: „Aus dem Stiftungszweck ergibt sich die Befugnis der aktiven Ausgestaltung des Gedenkens in Form der sachlichen Einordnung und Bewertung politischer Äußerung, die einen Bezug zu der Würde der Opfer haben. [Die Stiftung] ist die Stimme der Opfer, die selbst nicht mehr aktiv an der Erinnerungsarbeit teilnehmen können.“
Zur eigentlichen Postwurfsendung führt das Gericht aus: „Der Brief bietet keinen Anlass zur Beanstandung. Die in ihm mitgeteilten Tatsachen sind zutreffend und die Wertungen und Interpretationen beruhen auf einem jeweils sachgerecht gewürdigten Tatsachenkern.“ Und: Die Stiftung „darf auch im Hinblick auf eine bevorstehende Wahlentscheidung konkrete Tatsachen mitteilen und bewerten.“
Einzig der begleitende Text zur Postwurfsendung auf der Website der Stiftung enthielt einen Satz, der vom Gericht beanstandet und inzwischen entfernt wurde.
Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, konstatiert:
„Der Beschluss des Verwaltungsgerichtes Weimar ist von grundsätzlicher Bedeutung für alle Gedenkstätten in Deutschland, da er ihre gesellschaftliche Funktion bestätigt, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus auch in den politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart zu bewahren.
Es ist bezeichnend, wenn die AfD versucht, unsere Wirkungsfähigkeit einzuschränken und uns einzuschüchtern. Eine KZ-Gedenkstätte kann nicht unpolitisch sein; sie muss ihre Stimme erheben, wenn Geschichte verfälscht und die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus missachtet wird. Gegenüber der Holocaust-Verharmlosung gibt es für uns keine Neutralität. Das hat das Verwaltungsgericht Weimar bestätigt.“