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Solidarität mit den Menschen in Israel

Am Mittwoch, dem 18. Oktober organisierte ein Bündnis aus Einzelpersonen in Weimar eine Gedenkkundgebung für die Opfer der Hamas und für Solidarität mit den Menschen in Israel. Reden hielten u.a. der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Prof. Reinhard Schramm, die Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss und Stiftungsdirektor Prof. Dr. Jens-Christian Wagner. Seine Rede dokumentieren wir hier.

18.10.2023

Am 7. Oktober begangen Terroristen der Hamas das schlimmste antisemi­tische Massaker mit den meisten Opfern seit 1945. 1.300 Frauen, Männer und Kinder, darunter auch Kleinkinder und Neugeborene, ermordeten sie brutal. Fast 200 Menschen entführten sie in den Gaza-Streifen. Wir wissen nicht, ob die Geiseln noch leben.

Nichts, aber auch gar nichts legitimiert diese Verbrechen. Die Opfer wurden aus dem einzigen Grund ermordet, dass sie Juden und Israelis waren oder dafür gehalten wurden. Als meine Kolleg:innen aus  der Gedenkstätte Buchenwald und ich die Nachrichten vom Hamas-Angriff hörten, war das ein Schock. Voller Sorge dachten und denken wir an die Überlebenden des KZ Buchenwald und ihre Angehörigen, von denen etliche in der Reichweite der Hamas-Raketen oder sogar in der Nähe des Gaza-Streifens wohnen. Und auch viele Freundinnen und Freunde leben dort, u.a. ehemalige Freiwillige in Buchenwald und anderen Gedenkstät­ten.

Eine ehemaligen Freiwillige einer Berliner Gedenkstätte, die in einem Kibbuz nahe des Gaza-Streifens lebt, schickte ihren Ex-Kolleg:innen in Berlin am Samstag Morgen WhatsApp-Nachrichten. In ihrem Kibbuz waren Schüsse zu hören, Hamas-Terroristen gingen von Haus zu Haus und erschossen die Bewohner:innen. Die junge Frau versteckte sich unter ihrem Bett und schickte von dort letzte Nachrichten, bis der Akku ihres Handies leer war. Danach war Funkstille. Die Freundinnen in Berlin befürchteten das Schlimmste. Doch zu ihrer großen Erleichterung meldete sich die junge Frau nach drei Stunden Bangen wieder – sie war von israelischen Soldat:innen gerettet worden.

Wie wir wissen, hatten 1.300 Menschen nicht solches Glück, unter ihnen die 90-jährige Gina Smiatich. Sie hatte als zehnjähriges jüdisches Mädchen aus der Tschechoslowakei das Ghetto Theresienstadt überlebt. Terroris­ten der Hamas schossen ihr am 7. Oktober in ihrem Wohnzimmer im Kibbuz Kissufim in den Kopf. Sie war sofort tot.

Ihrer und aller anderen Opfer der Hamas-Angriffe gedenken wir heute.

Von den Überlebenden des KZ Buchenwald und ihren Angehörigen wurde, soweit wir wissen, glücklicherweise niemand getötet oder verletzt. Doch sie leben in ständiger Furcht vor erneuten Raketenangriffen, müssen immer wieder in die Schutzräume gehen. Und etliche Söhne und Töchter wurden als Reservist:innen zur Armee eingezogen und stehen vor lebens­bedrohlichen Einsätzen.

„Wir sind in einer schwierigen Situation“, schrieb mir Naftali Fürst, Präsi­dent des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald, vor einigen Tagen. Und er fuhr fort: „Wir sind traurig, aber stark. Ich hoffe, es endet bald. Grüße an alle Freunde in Buchenwald und Weimar.“

Dass Überlebende des Holocaust in Israel um ihr Leben fürchten müssen, ist eine Schande. Nach dem Grauen, dass sie in den NS-Lagern erleiden mussten, gingen sie in der Hoffnung in Israel, nur dort sicher zu sein vor antisemitischer Gewalt. Und wie oft habe ich von Überlebenden, die in Deutschland leben, gehört, dass sie sich die Option offenhalten, nach Israel zu gehen, wenn sie sich wegen des Antisemitismus in Deutschland nicht mehr sicher fühlen.

Es ist bitter zu sehen, dass Jüdinnen und Juden überall auf der Welt Lebensgefahr droht, auch in ihrem eigenen Staat. Ändern kann sich das nur, wenn wir Solidarität mit den Menschen in Israel zeigen und deutlich machen, dass das Land das Recht hat, sich militärisch zu verteidigen – auch mit Angriffen auf den Gaza-Streifen, um die Hamas und ihre Mörder auszuschalten.

Zugleich machen wir uns Sorgen um die Zivilbevölke­rung im Gaza-Streifen und sind schockiert über die Bilder aus dem Krankenhaus, dessen Hof gestern von einer Rakete getroffen wurde. Wir sollten vorsichtig mit voreiligen Schuldzuweisungen sein; noch ist nicht klar, von wem die Rakete stammte (die Berichte, dass es eine fehlgeleitete Rakete der Terrororganisation Islamischer Dschihad gewesen sein könnte, klingen zunehmend plausibel.)

Sicherlich sind viele im Gaza-Streifen lebende Palästinenser:innen verblendet von der Propa­ganda der Hamas. Doch sollte man sie – wie auch die palästinensischen Gegner:innen der Hamas und des Terrors, die es ja auch zahlreich gibt – nicht alle in Kollektivhaftung für den Terror der Hamas nehmen.

Letztlich kann es Frieden für den Gaza-Streifen aber nur geben, wenn es den dort lebenden Menschen gelingt, sich selbst von der Hamas-Diktatur zu befreien. Free Gaza muss an erster Stelle heißen: Free Gaza from Hamas!

Man darf und man sollte sogar die israelische Regierung unter Minister­präsident Netanjahu kritisieren, eine Regierung, in der rechtsextreme Parteien vertreten sind und die sich in den vergangenen Monaten daran gemacht hat, den israelischen Rechtsstaat auszuhöhlen. Und auch die israelische Siedlungspolitik kann und sollte man kritisieren. Glaubhaft kann das aber nur tun, wer den Terror von Hamas, Islamischen Dschihad und anderer palästinensischer Terrorgruppen ohne jegliche Einschrän­kung verurteilt.

Glaubwürdig für Menschenrechte kämpfen kann nur, wer jeglichen Terror gegen Jüdinnen und Juden kategorisch ablehnt – eigentlich eine Selbstver­ständlichkeit, und schlimm genug, dass das überhaupt gesagt werden muss. Doch die propalästinensischen Demonstrationen in Berlin und anderen Städten zeigen, wie nötig diese Aussage ist. Was dort wie auch in den Social Media an Relativierung, Whataboutism, Täter-Opfer-Umkehr und offenem Judenhass zu hören und zu sehen ist, ist einfach nur wider­wärtig.

Und es sind bei weitem nicht nur Menschen mit migrantisch-arabischem Hintergrund, die da mitmachen, sondern es sind auch etliche „ethnisch“ deutsche und weltweite Linke und selbsternannte „Antiimperialist:innen“, die offenbaren, dass ihr Einsatz für Freiheit und Menschenrechte der Palästinenser:innen, von denen viele ja tatsächlich unter der israelischen Siedlungspolitik leiden, eine ganz zentrale ideologische Triebfeder hat: den Antisemitismus.

Das eint sie mit Antisemiten aus einer ganz anderen Richtung, nämlich von Rechtsaußen. Aus dem Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek, in dem Thüringens AfD-Chef Björn Höcke ein und aus geht, kommt seit einigen Tagen ein antisemitisches Trommelfeuer gegen die angeblichen „Fremdnationalisten“, die sich solidarisch mit den Menschen in Israel zeigen.

Etliche AfD-Abgeordnete teilen das auf ihren Social-Media-Kanälen, andere schweigen zum Krieg gegen Israel. Von Björn Höcke etwa und seinen Fraktionskollegen in Erfurt war tagelang überhaupt nichts zum Angriff der Hamas auf Israel zu hören. Erst in den letzten Tagen nutzte Höcke die Empörung vieler Deutscher über die israelischen Opfer, um gegen Muslime in Deutschland zu hetzen, und richtig laut wurde er erst gestern wieder, nachdem ein Tunesier in Brüssel zwei Schweden erschos­sen hatte.

Solidarität mit den Menschen in Israel und unser Einsatz gegen jeden Antisemitismus muss einschließen, dass wir uns auch gegen Muslimfeind­lichkeit wenden. Hunderttausende Muslime sind aus arabischen Ländern oder auch aus dem Iran, Afghanistan und Pakistan nach Deutschland geflüchtet, weil sie dort von Islamisten verfolgt werden.

Lassen wir nicht zu, dass sie Opfer rassistischer Hetze werden – oder sogar rassistischer Gewalt, wie der sechsjährige palästinensische Junge Wadae Al-Fayoume, der am vergangenen Sonntag in den USA von seinem Vermieter mit den Worten „Muslims must die“ erstochen wurde.

„Wir alle hoffen, dass wir bessere Tage erleben und Wahrheit und Frieden lieben werden“, schrieb mir vor einigen Tagen Abraham Zilberstein, Sohn eines Buchenwald-Häftlings und Vorsitzender der Organisation ehemaliger NS-Häftlinge und nachfolgender Generationen in Israel sowie Mitglied des Zentrums der Organisationen für Holocaust-Überlebende in Israel.

Er paraphrasierte damit einen Spruch aus dem Alten Testament, nämlich Sacharja 8, Vers 19. „Darum liebt die Wahrheit und den Frieden“, heißt es dort. Ich bin nicht religiös, aber damit ist alles gesagt, was uns wichtig sein sollte.

Prof. Dr. Jens-Christian Wagner


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