

Das Foto der jungen Bronisława Orłowska und die liebevolle Widmung an ihren Vater auf der Rückseite entsprechen vielen ähnlichen Motiven, die Zwangsarbeiter:innen an ihre Familienangehörigen schickten. In harmlosen Posen und vergleichsweise gut gekleidet zeugten Kleinigkeiten – wie in diesem Fall das Abzeichen mit dem Buchstaben P auf Höhe der linken Schulter – davon, dass die Abgebildeten Zwangsarbeit leisten mussten. In der Widmung nahm Bronisława Orłowska auch einen direkten Bezug auf den andauernden Krieg, der sie von ihrem Vater trennte. Sie war als Sechzehnjährige 1941 bei einer Razzia in Warschau gefangen genommen und zur Zwangsarbeit in die Steiermark verschleppt worden.
Die viel später aufgezeichneten Erinnerungen der verheirateten Bronisława Lichniak geben über die Gefahr Aufschluss, in der sich das Mädchen im April 1943 in Albersdorf befand. Bereits einmal war sie geflohen und fand dann „Unterschlupf bei einem Bauern im Dorf Albersdorf, der ein großer Schürzenjäger war. Nach einer gewissen Zeit wurde er aufdringlich und versuchte mich zu verführen. Ich floh zum zweiten Mal.“ Heute ist nicht mehr eindeutig nachzuvollziehen, was sich für Bronisława Lichniak hinter den Begriffen „Schürzenjäger“, „aufdringlich“ und „verführen“ verbarg und was tatsächlich vorgefallen war. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass sie Opfer von sexuellen Übergriffen durch den Bauern geworden war – ein Schicksal, das sie mit vielen Zwangsarbeiterinnen vor allem in der Landwirtschaft teilte.
Auch durch die wiederholten Fluchten brachte sie sich in große Gefahr. Konnten diese doch bei Entdeckung mit Lagerhaft bestraft werden.
Sie war eine von insgesamt über 20 Millionen Menschen aus ganz Europa, die während des Nationalsozialismus für Deutschland Zwangsarbeit leisten mussten.