Einblick in den Alltag der Zwangsarbeit
Die Motive irritieren auf den ersten Blick: Sie zeigen junge Menschen in scheinbar privaten, alltäglichen Momenten, in ihrer Freizeit, beim Feiern oder auf Ausflügen. Arbeit und Gewalt bilden diese Privatfotografien nicht ab. Zwangsarbeiter:innen erscheinen nicht als unpersönliche Masse, wie so häufig in Dokumenten und Abbildungen deutscher Autor:innen. Es handelt sich nicht um die schablonenhaften, verdinglichenden Fotos von Arbeitskarten, Ausweisen oder gar Ermittlungsakten.
Vielmehr werden Personen sichtbar, die sich ein Stück Normalität erkämpften und damit aus der Rolle der Entrechteten, die ihnen von den Deutschen zugewiesen wurde, ausbrachen. Die Fotografien zeigen selbstbewusste Individuen. So wollten sie sich erinnert und gesehen wissen. Häufig waren diese Fotos auch als ein beruhigendes Lebenszeichen zum Versand an die Angehörigen gedacht.
Die Interventionen kombinieren – und kontrastieren – diese Bilder mit Widmungen und Erinnerungen der Zwangsarbeiter:innen, die die tatsächlichen Umstände ihrer Entstehung dokumentieren. So ergibt sich ein bemerkenswerter Blick in den Alltag der Zwangsarbeit im Deutschen Reich.
→ Von Kameraverbot bis Fotoatelier
Entsprechend dem rassistischen Regelwerk der Deutschen war polnischen – ebenso wie sowjetischen – Arbeitskräften der Besitz eines Fotoapparats streng verboten. Daher fungierten häufig westeuropäische oder tschechische Zwangsarbeiter:innen, die eine Kamera besitzen durften, als Fotograf:innen der polnischen und sowjetischen Arbeitskräfte.
Daneben verdienten auch deutsche Fotograf:innen an den Fotos osteuropäischer Arbeitskräfte: Beispielsweise erinnern sich ehemalige Zwangsarbeiter:innen in Berlin daran, dass an vielen öffentlichen Orten deutsche Fotograf:innen anboten, die ausländischen Arbeitskräfte gegen Bezahlung abzulichten. Viele der Fotos wurden auch in deutschen Fotoateliers aufgenommen, als Postkarten gedruckt, um dann von den Zwangsarbeiter:innen an ihre Familienangehörigen geschickt zu werden.
Und schließlich besaßen manche polnischen und sowjetischen Zwangsarbeiter:innen heimlich einen Fotoapparat.